Interview mit Ernst-Friedrich von Kretschmann

1. Herr von Kretschmann, können Sie uns etwas über die Geschichte und Entwicklung des Hotel Europäischer Hof erzählen und wie Ihre Familie in das Hotelgeschäft eingestiegen ist – auch im Hinblick auf die Gründung der renommierten Hotelfachschule in Heidelberg?

Als im Jahre 1840 der erste Kopfbahnhof mit Tunnelverbindung in das Neckartal erstellt wurde, hat dies Investoren motiviert, neue und größere Hotels in dessen Nähe zu erstellen. Hierzu zählten insbesondere das Hotel Schrieder, das Grandhotel, das Hôtel de l´Europe, das Hotel Victoria und der Darmstädter Hof. Wie in der deutschen Hotelbranche nicht unüblich, wurden schon damals diese bald an Nachfolger weiterverkauft, weil die Zinsen für das aufgenommene Fremdkapital nicht erwirtschaftet werden konnten. Im Jahre 1865 eröffnete schließlich das neu erstellte Hôtel de I´Europe, in den Folgejahren führten mehrere unterschiedliche Hoteliers das Hotel, wozu auch der Onkel von Fritz Gabler einige Jahre gehörte. Dies war sicher auch ein Grund, warum sein Neffe Fritz Gabler aus Würzburg seine Berufswahl festlegte. Als erfolgreicher Hotelleiter mit Tätigkeiten im In und Ausland kaufte er für 1.100.000 Goldmark – 850.000 für Grund und Boden mit Gebäuden, 250.000 für Hoteleinrichtung und Inventar – im Jahre 1906 das Hôtel de l´Europe in Heidelberg, dass bereits damals international ein führendes Hotel gewesen ist. Fritz Gabler, der die Heidelbergerin Luise Mühlmann von der Herrenmühle am dritten Februar 1910 heiratete, begannen sofort das Hotel auszubauen und die Technik den neuen Anforderungen anzupassen. Hierzu gehörte insbesondere die Änderung des Eingangs, die Eröffnung des seinerzeit bürgerlichen Restaurants Kurfürstenstube, eine Tanz-Bar, die Gebäude-Kohleheizung, den Einbau der ersten Zimmerbäder und insbesondere einem elektrischen Stromanschluss sowie den Einbau von Fassadenträgern im Erdgeschoss für die Frontfassade, um das Erdgeschoss, das Kaminzimmer und die Liselottenstube ausbauen zu können. Zusätzlich wurde im Jahre 1928 der Seitenflügel mit 28 neuen Zimmern mit Badezimmern in zwei Obergeschossen erstellt – hiervon vier Juniorsuiten. Fritz Gabler erkannte schon früh, dass wirtschaftliche Kenntnisse auch in der Gastronomiebranche erforderlich waren. Er gründete daraufhin die erste deutsche Hotelfachschule, die auch heute noch seinen Namen trägt. Als weltweit anerkannter, souveräner Fachmann wählte ihn noch im Jahre 1936 die führenden Hoteliers der International Hotel Association in Paris zu ihrem Präsidenten. Dies stellte eine besondere Auszeichnung unter dem Gesichtspunkt der Vorbehalte dar, welche die führenden Hoteleigentümer weltweit mit Recht gegen die politische Situation in Deutschland hatten. Der Europäische Hof, durch das Dritte Reich namentlich umbenannt, wurde an Ostern 1945 von der amerikanischen Armee für ihre Führungskräfte beschlagnahmt. In unserer Stadt befand sich das Armee-Hauptquartier der amerikanischen Streitkräfte in Europa wie auch der 7th Army. Somit wohnte unter anderem General Eisenhower als Oberkommandierender und späterer Präsident der Vereinigten Staaten seiner Zeit im Hotel. Fritz Gabler starb am zweiten August 1953. Er erlebte nicht mehr die Rückgabe des Hotels wie auch das dem Ehepaar gehörende und gegenüberliegende Hotel Victoria im Jahre 1955. Luise Gabler wurde von Seite der führenden Hoteliers in Deutschland dringend empfohlen, die beiden Hotels zu verkaufen. Die alle nach dem Krieg eingeführten wirtschaftlichen Unterstützungsmaßnahmen waren abgelaufen, hohe Forderungen aus Darlehen, also auch der Kreditgewinnabgabe und nicht bezahlter Tilgungen würden eine Hotelweiterführung mit vorheriger Renovierung unmöglich machen. Luise Gabler fühlte sich jedoch dem Erbe ihres Mannes und der Zukunft des Europäischen Hof verpflichtet. Auch hoffte sie, dass zumindest einer ihrer Enkel die Nachfolge antreten würde. Sie verkaufte daher das Hotel Victoria an die Universität Heidelberg und eröffnete nach zwei Umbaujahren zu Ostern 1957 wieder das Hotel. Gleichzeitig zahlte sie zwei Enkel ihres in Russland vermissten Sohnes, die im Ausland lebten, aus. Mit Unterstützung durch einen in der Branche bekannten österreichischen Direktor war es ihr möglich, den Ruf des Hotels im In- und Ausland wieder bekannt zu machen. Der Erfolg trat ein und die Belegung des Hotels und die entsprechenden Rohüberschüsse ermöglichten es ihr, die hohen Darlehensverpflichtungen abzutragen. Hierfür erhielt sie vom damaligen Oberbürgermeister der Stadt Heidelberg, Reinhold Zundel, das Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland. Die VIP-Gästeliste unseres Hotels ist lang, wozu auch alle seinerzeitigen Bundespräsidenten, Bundeskanzler, führende Wissenschaftler und Nobelpreisträger wie auch die Begum Aga Khan und Herbert von Karajan gehörten. 1965 übergab Luise Gabler das Hotel an mich – einem ihrer zwei verbliebenen Enkel – und an meine Frau Sylvia. Wir haben das Hotel durch mehrere Baumaßnahmen um weitere Zimmer deutlich erweitert sowie um Veranstaltungsflächen und einen SPA-Bereich. Mit einer Diversifizierungsstrategie in einen Gewerbebereich mit 40 Büro- und Ladeneinheiten und eine öffentliche Tiefgarage wurde das alleinige Hotelangebot geändert. Wichtige Kooperationen wie mit dem Steigenberger Reservation Service und als Mitglied von „The Leading Hotels of the World“ unterstützten die Vermarktung des Hotels. 2013 stieg unsere Tochter Dr. Caroline von Kretschmann in die Geschäftsführung der Betriebsgesellschaft ein, die sie seitdem mit meiner Frau in der dritten und vierten Familiengeneration führt. Ich selbst bin aus der Geschäftsführung der Betriebsgesellschaft ausgeschieden und leite seitdem die Besitzgesellschaft unter anderem mit der Vermietung und Verpachtung.

2. Familienunternehmen neigen dazu, eine besondere Kultur zu entwickeln. Dabei prägen häufig die Wertvorstellungen der Gründer bis heute die Unternehmungen. Was hat Ihre Familie dazu beigetragen, die Unternehmenskultur des Hotel Europäischer Hof zu prägen? Welche Werte sind Ihnen besonders wichtig, wenn es um die Führung eines Familienhotels geht?

Grundlage und Leitstern unseres Familienunternehmens ist seit Generationen eine tief verwurzelte, wertorientierte Unternehmenskultur. Diese Kultur ist maßgeblich geprägt durch die Wertvorstellungen der Gründer – meiner Großeltern Fritz und Luise Gabler – die bis heute das Rückgrat unserer Unternehmensphilosophie bilden. Man könnte sagen, wir haben uns stets an den Prinzipien der 'Ehrbaren Kaufleute' orientiert, was bedeutet, dass wir unser Geschäft mit einem starken moralischen Kompass und einer tiefen Verpflichtung gegenüber ethischen Grundsätzen führen. Ein zentraler Wert, der mir persönlich besonders wichtig ist, ist Integrität. Dies umfasst für mich nicht nur Ehrlichkeit und Transparenz in unseren Geschäftsbeziehungen, sondern auch ein eindeutig moralisches Handeln in der Führung. Dabei ist Fairness gegenüber unseren Mitarbeitenden, den Kolleginnen und Kollegen, den Lieferanten, den Partnern und Stakeholdern besonders wichtig. Dieser Ansatz hat es uns ermöglicht, langfristige und vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen, die für den Erfolg unseres Hotels unerlässlich sind und die uns seit Generationen ausmachen. Ein weiterer fundamentaler Wert in unserem Familienunternehmen ist die Verantwortung. Dies bezieht sich nicht nur auf die Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitenden und Gästen, sondern auch auf unsere Rolle in der Gemeinschaft. Wir fühlen uns verpflichtet, einen positiven Beitrag zu leisten und stets das Wohl aller Beteiligten im Auge zu behalten. Dies bedeutet, dass wir uns aktiv für die nachhaltige Entwicklung unserer Region einsetzen, genauso wie für den Klimaschutz, dass wir kulturelle Institutionen, wie das Internationale Musikfestival Heidelberger Frühling, im Rahmen unserer Möglichkeiten fördern, soziale Einrichtungen unterstützen und das wir überhaupt bestrebt sind, einen positiven Fußabdruck in unserer Gesellschaft zu hinterlassen. Darüber hinaus ist Fürsorge ein weiterer Kernwert, der unsere Unternehmenskultur prägt. Fürsorge bedeutet in unserem Haus, dass wir uns um das Wohlergehen jedes Einzelnen kümmern – von unseren Mitarbeitenden bis zu jedem Gast, Partner und jedem und jeder, der oder die unsere Schwelle überschreitet. Wir legen großen Wert darauf, eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich jeder willkommen gesehen und wertgeschätzt fühlt. Diese Werte – Integrität, Verantwortung und Fürsorge – sind die Säulen, auf denen der Europäische Hof ruht. Sie haben uns geholfen, eine einzigartige Unternehmenskultur zu schaffen, in der Tradition und moderne Gastfreundschaft und Führung harmonisch aufeinandertreffen.

3. Die Luxushotellerie in Großstädten ist hart umkämpft, privat geführte Häuser sind hier kaum noch vorhanden. Welche Strategien haben Sie angewendet, um sich in diesem Markt zu differenzieren und konkurrenzfähig zu bleiben – gerade im Hinblick auf die sich ändernden Bedürfnisse der Gäste?

Nach dem zweiten Weltkrieg beauftrage Präsident Truman die großen amerikanischen Fluglinien wie Pan American und Transworld Airlines – beide zwischenzeitlich verkauft bzw. insolvent geworden – exklusive Hotelneubauten in für die amerikanische Wirtschaft wichtigen Destinationen weltweit zu eröffnen, was insbesondere die Ketten InterContinental und Hilton auch durchführten. Schon damals war es selbstverständlich, dass diese Hotels von amerikanischen Hotelketten geführt wurden, während es sich bei den Investoren und Gebäudebesitzern um nationale Eigentümer handelte. Dies war auch ein Signal für den weltweiten Ausbau von Hotelketten, die nicht nur national, sondern international den Bau von Hotels durch Investoren förderten, um diese dann selbst als Betreiber führen zu können. Dem entsprach auch die Zunahme des internationalen Fremdenverkehrs. Den Umstand, dass hierbei auch manche Hotelkette in den letzten Jahrzehnten insolvent oder von Wettbewerbern gekauft wurde, konnte man der überregionalen Wirtschaftspresse entnehmen. Wie bereits erwähnt, übernahm ich im Jahre 1965 von meiner Großmutter Luise Gabler zusammen mit meiner Frau den Europäischen Hof. Die Anteilsübertragung erfolgte anschließend in mehreren Schritten. Nachdem ich vorher in vielen europäischen Luxushotels ausgebildet wurde, ein Jahr in Amerika lebte und dann noch an der Universität München am Wirtschaftswissenschaftlichen Institut für Fremdenverkehr arbeiten konnte, war mir sofort bei Übernahme des Unternehmens klar, dass das Hotel dringend eine neue Investitionsphase benötigte. Schon im ersten Jahr konnte ich den 1928 erstellten Seitenflügel um ein drittes Obergeschoss mit 20 Zimmern vergrößern. Es folgten der Umbau der Heizung von Kohle auf Öl, die Erweiterung des Restaurants, der Umbau der Bar und der Einbau noch fehlender Badezimmer im Hauptgebäude. Später wurde dann die Heizung auf Fernwärme umgestellt. Sofort nach Fertigstellung des dritten Obergeschosses auf den Seitenflügel begannen meine Planungen für den weiteren Ausbau um das Gebäude Friedrich-Ebert-Anlage 1 und Sofienstrasse 29 mit zwei Etagen Hotelzimmer, darunter zwei Etagen zu vermietende Gewerbeeinheiten, im Erdgeschoss eine Ladenpassage und darunter eine öffentliche Tiefgarage im Jahre 1975-1977. Die Idee hierbei war, das reine Hotelunternehmen zu diversifizieren, um für nicht auszuschließende schwierige Zeit Alternativ-Einnahmen zu haben. Hierzu gehörte auch im Jahre 1983 die Trennung der Besitzgesellschaft in eine haftende Betriebs-GmbH für die Eigentums-KG, kurz nachdem dies gesetzlich möglich wurde. Bereits nach Fertigstellung der Baumaßnahme mit Fertigstellung im Jahre 1977 wollte ich gerne die erfolgreiche Diversifizierung des Angebotes fortsetzen. Geplant habe ich daraufhin den Abriss der Parkvilla mit Erstellung des Neubaus Sofienstrasse 27 und des Gartengebäudes, welches die Verbindung zum Seitenflügel darstellte. Im ersten Gebäude ein Schwimmbad im fünften Obergeschoss mit Sonnenterrasse, zwei Saunen und Fitnessraum, darunter eine Etage Hotelzimmer, zwei Büroetagen und eine Ladenpassage sowie im zweiten Gartengebäude vier Etagen Hotelzimmer, eine zweite Küche für die neuen Sitzungsräume mit Sanitärbereich sowie darunterliegend weitere 80 Stellplätze, sodass nunmehr die öffentliche Tiefgarage über 200 Plätze verfügte. Dies war mir nur möglich, weil vorher ein größeres Parkgelände vor dem Hotel lag. Im Jahr 2015 haben wir schließlich noch vier moderne Serviced Apartments dazu gebaut, die jeweils über zwei Schlafzimmer, zwei Bäder, einen Wohnraum, ein Esszimmer und eine vollausgestattete Küche verfügen. Hier haben wir insbesondere für unsere medizinischen Gäste, die bei uns eine wichtige Gästegruppe darstellen, ein attraktives Angebot für längerfristige Aufenthalte geschaffen. Diese Hotelerweiterungen, die von den meisten Fachleuten als unrealistisch und nicht durchführbar beurteilt wurden, hat meinen Optimismus trotz einer äußerst schwierigen Lage nicht in Frage stellen können. Verhandelt habe ich daher jeweils mit fünf Banken, damit wenigstens zwei Banken übrigblieben, von denen ich dann eine für die Finanzierung beauftragen konnte. Wie erwartet haben Wirtschaftskrisen wie unter anderem im Jahre 2008 die Mieteinnahmen der Gewerbeflächen und der Garage die rückläufigen Ergebnisse des Hotelbetriebes unterstützt bzw. ausgeglichen. Die Baufinanzierung hatte wiederum das Hotelunternehmen sichergestellt. Die hohen Fremdkapitalkosten haben dann dazu geführt, dass mich erst zwei Vettern mit ihrem 50% Anteil und danach auch mein Bruder – wiederum mit 50% Anteil – aufgrund der Empfehlungen ihrer Berater ausgezahlt werden wollten. Dies nach dem Motto „besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“. Hierfür musste ich wiederum hohe Darlehen aufnehmen. Zum Glück hat mich meine Hausbank, die Sparkasse Heidelberg, hierbei immer unterstützt, weil ich sie auch jahrelang durch lange Bilanz-Analysen über die beiden Gesellschaften informiert hatte. Unabhängig von meiner Tätigkeit für den Europäischen Hof, bei dem mich drei Betriebsleiter für den Front-Office Bereich, die Gastronomie und die kaufmännische Leitung unterstützt haben, bin ich schon sehr früh Mitglied im DEHOGA geworden. Den Verband habe ich unter anderem auch als Vertreter bei der IHA in Paris vertreten und war dann Gründungsmitglied im Vorstand des Hotelverband Deutschland (IHA) im Jahre 1992. Da für mich wirtschaftliche Fragen von besonderem Interesse waren, habe ich den Bereich Rechtsfragen übernommen. Schon immer hatte mich gestört, dass die deutsche Gastronomie über keine einheitlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen verfügte, der Gast auf seine Abbestellfristen von Hotelaufträgen selbst entschied und auch Richter sich fragten, ob der Bezug von Abbestellfristen wie gesetzlich vorgegeben und entsprechend wie bei dem Mietvertrag nicht verändert werden müsste. Heute verfügen wir nun über Geschäftsbedingungen für Hotelzimmerbestellungen, Tagungsfestlegungen für Sitzungsräume und vereinbarte gemeinsame Essen sowie Allgemeine Geschäftsbedingungen für den Garagenbetrieb, sodass sich heute die Gäste, aber auch die Hotels an diese Festlegungen verbindlich halten können. Durch ständig neu eröffnende Hotelbetriebe in Städten ist der Wettbewerb für privat geführte Hotels immer schwieriger geworden. Wenn diese von Hoteliers noch selbst geführt werden, sterben sie tatsächlich langsam aus oder werden rechtzeitig verpachtet. Aber auch in bekannten Ferienorten in den Alpen und an den Meeresküsten werden neuerdings Großhotels gebaut, noch vorhandene und persönliche Privathotels werden von Hotelbetriebsgesellschaften übernommen und an neue Besitzer verkauft. Um ein privat geführtes Luxushotel heute führen zu können, welches sich noch im Besitz der Gründerfamilie befindet, sind ständige Anpassungen an neueste technische Investitionen erforderlich. Das betriebswirtschaftliche Angebot ändert sich immer schneller, neue Investitionen sind bereits nach einigen Jahren überholt. Wir müssen daher in neuste digitale Systeme für den Hotelablauf investieren sowie bei der Gästebetreuung wie auch bei der wirtschaftlichen Betriebsabrechnung, bei Lüftungen und Aufzügen, bei Notstromanlagen und Brandschutzmaßnahmen, bei Elektroverteilerbereichen bis hin zur eigenen Transformatorenstation. Denn nach der Investition kommt die Wartung, danach die Prüfung durch den TÜV und anschließend erneut die Prüfung durch weitere staatliche Gremien nach Ablauf von fünf Jahren. Ein weiteres Problem besteht darin, dass heute führende Luxushotels aufgrund ihres hohen Kaufpreises nicht nur von Kapitalfonds, Banken und Versicherungen übernommen werden, sondern zwischenzeitlich von sehr wohlhabenden und erfolgreichen Unternehmern anderer Branchen gekauft werden, was unter anderem auch auf das Vier Jahreszeiten in Hamburg, das Hotel Atlantic in Hamburg, das Brenner´s Park Hotel in Baden-Baden und der Öschberghof in Donaueschingen zutrifft. Werden neue Luxushotels erstellt, wie zum Beispiel der Breidenbacher Hof in Düsseldorf oder das der Schörghuber Gruppe gehörende und von der Rosewood Gruppe geführte Hotel in München, so gehören selbstgeführte Eigentümerbetriebe wie der Bayerische Hof in München oder das Colombi Hotel in Freiburg zu der sich ständig reduzierenden Ausnahme. Schon frühzeitig habe ich begonnen, Anteile an den beiden Gesellschaften in den Schenkungssteuervorgegebenen Summen und Abständen erst an meine Frau und dann an meine beiden Kinder weiterzugeben, wobei unser Sohn als stiller Gesellschafter nach seinem Betriebswirtschaftsstudium als Führungskraft in einer Bank dieser Branche treugeblieben ist. Natürlich hat mir hierbei geholfen, dass die Anteile meiner Vettern und meines Bruders von der Besitz-KG gekauft wurden, die Kinder als Gesellschafter entsprechende Anteile der Erbschaftsteuerbelastung übertragen bekommen haben. Unsere Tochter Dr. Caroline von Kretschmann hat auch ihre Banklehre in Frankfurt absolviert, ist dann zum Studium an die Hochschule St. Gallen gegangen und hat dort ihr Diplom gemacht und promoviert sowie nach jahrzehntelanger Arbeit als Managementberaterin und Consultant ein eigenes Unternehmen – die Metropolitan Consulting Group – gegründet. Nachdem Sie dieses an einen englischen Wettbewerber verkauft hat, habe meine Frau und ich sie gebeten, sich den Europäischen Hof doch einmal genauer anzuschauen, denn beide Kinder haben in ihrer Jugend nie im Hotel gelebt, wohnten außerhalb in dem von ihren Eltern angemieteten Haus und wurden dort ganztägig betreut, weil sonst die Eltern nicht beide hätten im Hotel ihren Zwölfstundentag absolvieren können.

4. Dr. Caroline von Kretschmann führt das Familienunternehmen nun sehr erfolgreich in vierter Generation weiter und avanciert regelrecht zu einem Vorbild für die deutsche Privathotellerie im Luxussegment. Dabei setzt Ihre Tochter vor allem in der Vermarktung auf unkonventionelle Maßnahmen. Da noch beide Generationen unter einem Dach arbeiten: Sorgt das für Konflikte in der Familie?

Als Vater und Vorgänger im Europäischen Hof bin ich natürlich stolz, wie meine Tochter das Unternehmen in der vierten Generation erfolgreich weiterführt und wie sie sich in der Branche etabliert hat. Die große Wertschätzung, die sie da von allen Seiten erfährt, freut mich und meine Frau und das gesamte Team. Ihre unkonventionellen Ansätze in der Vermarktung finden auch wir spannend und es freut uns, dass sie neue und andere Impulse setzt. So wie meine Frau und ich das auch in der dritten Generation nach Übernahme von meiner Urgroßmutter gemacht haben. Es ist eine bekannte Tatsache, dass sowohl ein Zuviel an Veränderung als auch ein Zuviel an Beharrung auf Bewährtem schädlich sein kann. Als Vater und Vorgänger im Unternehmen war mir bewusst, dass der Übergang an die nächste Generation sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich bringt. Eine totale Anpassung an die bisherigen Wege hätte zwar den Familienfrieden gewahrt, aber dem Unternehmen nicht die notwendige Dynamik und Innovation gebracht. Gleichzeitig wäre eine radikale Abkehr von allem Bewährten ebenso schädlich gewesen. Die Kunst liegt in der Balance zwischen Bewahrung und Veränderung. Es erfordert  Fingerspitzengefühl zu erkennen, was beibehalten und was verändert werden sollte. Als Vater habe ich beobachtet, wie Caroline zunächst in Bereichen wie Marketing und Vertrieb – Felder, die weder von mir noch von meiner Frau intensiv besetzt waren – Neuerungen einführte. Dies ermöglichte es ihr, sich im Unternehmen zu etablieren und Respekt zu erarbeiten, ohne sofort in direkten Konflikt mit den etablierten Strukturen zu treten.  Das Hinterfragen von Bewährtem ist unvermeidlich mit Reibungen und Konflikten verbunden. Natürlich haben auch wir uns an bestimmten Stellen auch intensiv auseinandergesetzt und es haben durchaus mal die Türen geknallt. Das gehört dazu. Die Fähigkeit, konstruktiv zu streiten, war dabei entscheidend. Es ist wichtig, dass Nachfolgende sich trauen, Bewährtes in Frage zu stellen und dass Vorgänger dies aktiv einfordern und unterstützen. Und so, wie es für meine Tochter ein Entwicklungsfeld war, in die Rolle der Chefin hineinzuwachsen, war es für mich ein Lernfeld, die Rolle des bestimmenden Vorgängers zu verlassen und Caroline als kraftvolle Nachfolgerin zu akzeptieren. Entscheidend für den Erfolg dieses Übergangs war die gute Beziehung innerhalb unserer Familie, die diese konstruktive Reibung auch trägt. Wir haben Entwicklungsschritte toleriert, „Rückfälle“ als normal angesehen und uns die Zeit gegeben, die notwendige innere Arbeit zu leisten. So haben meine Frau und ich bewusst schon frühzeitig den Hauptanteil unserer Anteile an unsere Kinder übertragen. Ich selbst bin 2013 aus der Geschäftsführung der Betriebsgesellschaft ausgeschieden und 2019 auch aus meinem Büro ausgezogen und in ein neues umgezogen, um es meiner Tochter zu überlassen. In dem Büro, in dem sie heute sitzt, saß bereits meine Großmutter. Insgesamt sehe ich die Entwicklung und die Ansätze meiner Tochter nicht als Quelle von Konflikten, sondern als eine notwendige und bereichernde Evolution unseres Familienunternehmens. Jede Generation leistet zu ihrer Zeit ihren Beitrag.

 

5. Inwiefern spielt das Trendthema Nachhaltigkeit in Ihrem Hotelbetrieb eine Rolle und wie integrieren Sie umweltfreundliche Praktiken sowie Maßnahmen auf soziokultureller Ebene im Hotel Europäischer Hof?

Nachhaltigkeit ist für unser Familienunternehmen nicht nur ein Trendthema, sondern ein zentraler Bestandteil unserer Unternehmensphilosophie und unseres täglichen Handelns. Im Jahr 2020 haben wir uns daher erfolgreich von dem Hotelzertifizierer „GreenSign“ zertifizieren ließen. Diese Zertifizierung ist ein Beleg für unser kontinuierliches Engagement, umweltfreundliche Praktiken in allen Bereichen unseres Betriebs zu integrieren und zu fördern. Und es ist Motivation und Ansporn, darin immer besser zu werden. Ein neues und innovatives Kapitel in unserer Nachhaltigkeitsreise wurde dieses Jahr mit der Partnerschaft mit der „EVERYONE FOR CLIMATE STIFTUNG“ aufgeschlagen. Diese Zusammenarbeit ist ein Ausdruck unseres Engagements, aktiv zur Reduzierung der CO2-Emissionen im Tourismussektor beizutragen. Eine unserer Initiativen in dieser Partnerschaft ist die Möglichkeit für unsere Gäste, pro Übernachtung eine gemeinnützige Klimaspende zu leisten. Diese Spenden unterstützen bedeutende Organisationen wie African Parks, National Geographic Pristine Seas und die Elemental Water Foundation. Durch diese Maßnahme ermöglichen wir unseren Gästen, einen direkten Beitrag zur Kompensation der durch ihre Reisen entstandenen Emissionen zu leisten. Neben diesen Initiativen integrieren wir umweltfreundliche Praktiken in unseren täglichen Betrieb, wie die Verwendung von erneuerbaren Energien, die Reduzierung von Wasser- und Energieverbrauch und die Förderung lokaler und nachhaltiger Produkte in unserer Gastronomie bis hin zur Möglichkeit, dass Gäste auf eine Zimmerreinigung verzichten und wir dafür einen Baum pflanzen. Eine Nachhaltigkeitsbeauftragte im Unternehmen stellt zudem sicher, dass wir kontinuierlich neue Ideen sammeln und die bestehenden konsequent umsetzen. Wir wollen uns dafür einsetzen, unseren Gästen ein luxuriöses Erlebnis zu bieten, das Hand in Hand mit unserem Engagement für Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung geht.

Interview by KAJ-Magazin TRUST (Karsten Jeß & Wolf-Thomas Karl)